Die Geschichte der Bocksberg-Siedlung aus Sicht eines der ersten Siedler:
Die Älteren können sich vielleicht noch erinnern, aber die Jugend kann sich bei dem heutigen Wohlstand kaum vermutlich kaum hineindenken in die damalige Zeit. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland nach dem verlorenen ersten Weltkrieg war alles andere als rosig.
Kein Vergleich zu Heute war die stetig steigende Inflation der 30er Jahre. An Sparen war nicht zu denken bei den Millionen, Milliarden und Billiarden Rentenmark, die von einem Tag zum anderen nichts mehr Wert waren. Selbst Lohnzahlungen erfolgten zuletzt täglich und man musste dabei Glück haben, etwas dafür zu bekommen. Nach der Währungsreform 1923 setzte zwar eine etwas stabilere Zeit ein, aber durch die umfangreichen Reparationszahlungen stand Deutschland vor dem Ruin. Dazu setzte eine allgemeine Weltwirtschaftskrise ein und alles kam zum Stillstand. Wer war schon damals, der in der freien Wirtschaft arbeitete, nicht arbeitslos? Die Bautätigkeit ruhte vollkommen, obwohl die Wohnungsnot groß war. Es herrschte zum Teil bittere Not.
Um 1930, anlässlich von Vorträgen der Bodenreformbewegung von Herrn Damaschke, ergriff der Architekt Herr Philipp, unterstützt vom den Herren Bezirksarzt Dr. Kraus und Landgerichtsrat Mayer, die Initiative und entwarf Pläne für Siedlungshäuser. Nach einem Aufruf in der Presse für den Siedlungsgedanken meldeten sich sogleich mehrere Interessenten. Man hielt Ausschau nach Baugrundstücken, die allerdings billig sein mussten; so bei den Schafwasen der Ludwigshöhe, um Meinhardswinden, Kammerforst, Eyb und am Bocksberg. Überall stieß man allerdings auf Ablehnung bei den zuständigen Stellen.
Im Oktober 1931 wurden dann trotz aller Schwierigkeiten die ersten Grundstücke am Bocksberg erworben. Auch die Stadt Ansbach stellte einen 5 Tagewerk großen Acker am Südhang des Bocksbergwaldes, der in der Gemeinde Schalkhausen lag, zur Verfügung. Die Eingemeindung dieses Terrains nach Ansbach ging damals recht schnell vonstatten. Der Grund dürfte darin gelegen haben, weil alle Bewerber arbeitslos waren und man befürchtete, sie könnten der Gemeinde zur Last fallen. Alle Parzellen wurden in etwa 600 qm aufgeteilt.
Erste Arbeiten waren Brunnen graben oder bohren, denn Wasser war das wichtigste und nötigste für Mensch und Pflanzen; jeder versuchte, das bestmögliche aus seinem Boden für den täglichen Bedarf herauszuholen. Die Bewerber mussten einen Pachtvertrag abschließen, der später für ernsthafte Siedler in einen Erbpacht- vertrag umgewandelt wurde. Die ersten Bauwerke waren Schuppen für die Werkzeuge. Vor einer Hausbaugenehmigung musste allerdings jeder eine Erklärung unterschreiben, dass er auf Wasserzufuhr, Licht, Straße und Kanal verzichtet.
Das man durch Gemeinsamkeit und gegenseitige Hilfe mehr erreichen kann, empfanden viele angehende Siedler. So wurde am 13.Mai 1932 die Siedlergemeinschaft Bocksberg gegründet. Auch das erste Häuschen von Siedler Kleinschrodt wurde in diesem Jahr errichtet, dem sogleich die von Dauer, Kurz und Kandlbinder/Walz folgten. Überall wurde gegraben, gemauert und gewerkelt, voll Stolz sah man, was geschaffen wurde, trotz finanzieller Nöte. Es gab kein Geld zu leihen, weder privat noch von einem Geldinstitut. Die kleinen Ersparnisse flossen dahin. Einige Firmen lieferten nur gegen sogenannte Material- hypotheken. Aber der eiserne Wille, materielle Werte zu schaffen, befriedigte jeden. War es doch sinnvoller, als wie die meisten Arbeitslosen auf der Straße herumzustehen. Unter schwerer Arbeit, mit großen Opfern, aber steter gegenseitiger Hilfe, wuchs ein Häuschen nach dem anderen. Von staatlicher Seite wurde diese Arbeit nachher anerkannt und gefördert, so auch die Dombachsiedlung, die zu dieser Zeit entstand.
Andere Sorgen türmten sich jedoch auf. Der Feldweg an der Bahn entlang war durch die Baumaterialzufuhr so zusammengefahren, dass er fast nicht mehr passierbar war; kein Arzt, keine Hebamme konnten mehr durchkommen. Das Fahrrad trugen man zum Wald hinauf, um über das Ulanendenkmal in die Stadt zu kommen oder, auf verbotenem Weg, auf den Bahngleisen.
Die Petroleumfunzel oder Kerze war wohl recht heimelig, aber auf die Dauer für die Augen nicht zu empfehlen, ganz abgesehen von der Verrußung der Decken und Wände in den Wohnungen. Nach langen Verhandlungen konnte 1936 der Anschluss an das Fränkische Überlandwerk durchgeführt werden, so dass an Weihnachten zum ersten mal das elektrische Licht aufflammte. 1938 wurde dann auch die Straße ausgebaut und geschottert.
Doch neues Unheil trat auf, da das Wasser einiger Brunnen als ungenießbar erklärt worden war. Nach jahrelangen Bemühungen floss dann im Oktober 1952 auch einwandfreies Wasser aus der neuen Leitung. Seit 1961 besteht in der Siedlung eine Straßenbeleuchtung, weiterhin ist seit einigen Jahren auch der Weg zur Stadt beleuchtet.
Alles dies zu erreichen war nur durch den Zusammenschluss der Siedler in einer Gemeinschaft möglich, die jeweils von einer zuverlässigen Vereinsleitung geführt wurde. Die Siedlung selbst hat sich ständig weiter vergrößert. Durch Um-, Auf- oder Ausbau hatte die Bocksbergsiedlung etwa im Jahre 1960 ca. 90 Wohnungen mit ca. 225 Einwohnern.
Ein gewisser Wohlstand herrschte auch hier bereits, aus Schuppen waren Garagen geworden, denn durch die Entfernung von der Stadt und dem Fehlen von sonstigen Verkehrsverbindungen, hatten sich die meisten Siedler ein Auto zugelegt. Aber die Ältesten diejenigen, die diese Siedlung entstehen ließen, hatten Schwierig- keiten zum Einkaufen oder zum Arzt zu kommen, weil nur einmal in der Woche eine Bus verkehrte.
Die meisten Brunnen sind inzwischen leider
zugeschüttet oder sonst unbrauchbar. Durch die Wasserleitung und den allgemeinen Komfort stieg jedoch der Wasserverbrauch. So durfte noch keine Wohnung ein Bad und Spülklosett haben, wenn nicht eine entsprechend große Grube vorhanden war, die man für teures Geld von der Stadt entleeren lassen musste. In jedem Haus stanken die Trockenklosetts. Die Sickergruben trugen zu einer Versumpfung der Grundstücke und des Bahndammes bei, Kloaken entstanden in den Gräben, was nicht gerade zum Umweltschutz beitrug. Die Bewohner der Bocksbergsiedlung haben zwar schon immer viel Verständnis für die finanzielle Lage der Stadt gezeigt, doch war es an der Zeit, durch den Anschluss an das Kanalnetz den letzten großen Wunsch der Siedler zu erfüllen. Nachdem in den vergangenen Jahren wiederholten schriftlichen und persönlichen Anfragen an den Stadtrat sowie an den Oberbürgermeister wegen der Dringlichkeit einer Kanalisation, erhielten im Mai 1974 alle Siedler südlich der Straße fast unerwartet von der Stadt die Aufforderung einen Entwässerungsplan einzureichen. Der Aufforderung folgte die Ankündigung, dass entlang der Bahn ein Kanal verlegt werden soll.
In einer Überaus gut besuchten Versammlung der Siedlergemeinschaft am 10. Juni in Anwesenheit des Herrn Oberbürgermeisters, einem Vertreter des Tiefbauamtes sowie einigen Stadträten, wurden alle Fragen bezüglich der Kanalisation lebhaft diskutiert. Erfreut wurde vom Oberbürgermeister vernommen, dass nicht nur ein Kanal unterhalb der Häuser entlang der Bahn, sondern auch ein zweiter Kanal in der Straße und weiter auch der Anschluss an die Schalkhäuser Kanalisation gebaut werden sollte. Alsbald waren die Rohre und ein Bagger angefahren worden. Ein Rohr nach dem anderen verschwand ab dem (damals noch vorhandenen) Bahnwärterhaus entlang des Weges an der Bahnlinie. Die letzten Rohre wurden im September 1974 am damaligen Anwesen Schaller in der Erde versenkt. Alle dort anliegenden Siedler waren sofort heftig beim graben, um den Kanalanschluss bald zu bewerkstellig. Wenigstens das Abwasser aus dem Haushalt und den Dachrinnen sollte abführt werden können. Die Toiletten durften erst nach Fertigstellung der Gesamtkanalisation eingeleitet werden. Eine Hoffnung auf baldige Weiterentwicklung gab folgende Nachricht in der Zeitung vom 23.11.74:
Mitte Januar 1975 stand auf der Tagesordnung der Stadtratsitzung „Fortsetzung der Kanalisation in der Bocksbergsiedlung“. Darauf erhielten auch die Siedler oberhalb der Straße die Aufforderung bis 15.03.75 einen Entwässerungsplan einzureichen. Bereits Mitte April wurde am Ende der Siedlung mit den Grabarbeiten begonnen, die sich bis Ende des Jahres bei Frost und Schnee hinzogen.
Die Verschmutzung der Straße war gerne hingenommen worden, da mit den Grabarbeiten auch ein weiterer Neu- bzw. Ausbau der Fahrbahn vorgenommen werden musste. Im Juli 1976 ratterten dann die Straßenbaumaschinen, gleichzeitig wurden Kabel für Telefon und Straßenbeleuchtung verlegt. Mitte November strahlten neue Straßenlampen wie eine Festbeleuchtung, im Gegensatz zur früher vorhandenen, dürftigen Illumination. Restarbeiten, wie Kanalschächte, Hydranten und Schieber setzen, zogen sich noch längere Zeit hin. Aber im Herbst 1977 kam die letzte Bitumenschicht auf die Fahrbahn, der Anschluss der Bocksbergsiedlung an die „Errungenschaften dieses Zeitalters“ war vollendet.
Ob die nachfolgende Generation noch verstehen will, wie viel Mut und Wille dazugehörte das zu schaffen was heute als Selbstverständlichkeit angenommen wird?
Es ist beeindruckend, was diese Generation damals geschafft hat. Doch auch heute noch behauptet sich ein ungebrochener, fester Zusammenhalt in „unserer“ Siedlergemeinschaft.